show Table of Contents
show related texts

Lebensweise ändern

Tue Aug 6 11:35:39 2013

Kämpfe gegen unterdrückung und ausbeutung wird es geben, solange menschen unterdrückt und ausgebeutet werden. Widerstand hat vielfältige formen und nur ein kleiner teil davon ist ausdrücklich politisch.

Die gewaltsame ausbreitung und vertiefung der kolonialen beziehungen durch die Europäer läuft seit mehr als 500 jahren. Die angegriffenen völker kämpfen immerfort dagegen, wurden jedoch immer wieder gegeneinander ausgespielt.

Kolonialismus, imperialismus, globalisierung sind unterschiedliche begriffe für verschiedene phasen der ausbreitung einer zerstörerischen lebensweise, welche auf neid und gier, sowie der generellen mißachtung alles lebendigen beruht, gepaar mit dem willen zur gewalt.

Es hat schon vor dem europäischen kolonialismus zerstörerische kulturen und herrschaftszentren gegeben. Aber seit jahrhunderten sind es die Europäer, welche ihre herrschaft über die ganze welt verbreitet haben, immer extrem gewalttätig und massenvernichtend. In dem sinne war Christopher Kolumbus der beginn der globalisierung, wie Ward Churchill gesagt hat.

Die Kolonisierer widersetzen sich einer Entkolonisierung

Die kolonisierergesellschaften zeigen kaum interesse an einer entkolonisierung ihrer beziehungen zur erde, zum leben, oder auch nur zu anderen völkern, denn ihre lebensweise ist von deren aufrechterhaltung abhängig. Zu bequem und angenehm sind ihre privilegien, zu festgefügt ihre besitzstände, um eine grundlegende änderung ihrer lebensweise nicht vor allem zu fürchten.

Die kolonisierergesellschaften brauchen die minen, die agroindustrie, die produktionsanlagen, die dazugehörige infrastruktur und transportkapazitäten, sowie die bewaffneten kräfte und die propaganda zur durchsetzung der entsprechenden ordnung. Da wird kein 'ökologischer umbau der industriegesellschaft' helfen, auch keine 'nachhaltige entwicklung', keine 'verringerung des kohlendioxidausstoßes', 'erneuerbare energien' und dergleichen. Das sind einfach neue wachstumsbereiche, die zudem über staatliche interventionen als erzwungener konsum und erhöhte preise, steuern und abgaben recht gut zu regulieren sind.

Koloniale wurzeln unserer lebensweise

Eine lebensweise bedeutet viel mehr als nur politische, finanzielle und wirtschaftliche organisation und institutionen. Es ist nicht primär eine frage von oben und unten, reich und arm, oder gar von links und rechts. Es umfaßt dinge wie das maß an verstädterung und die geringschätzung der landbevölkerung, prozesse von individualisierung und massengesellschaft, die ständige verfügbarkeit von allerlei waren, die kodifizierung von nutzungs- und verfügungsrechten über das land mit hilfe von besitztiteln, die rolle des staates und die zunehmende bürokratisierung und reglementierung von lebensbereichen, aber auch sowas wie essgewohnheiten und arbeitsteilung.

Auch im verstehen und denken sind die kolonialen wurzeln unserer lebensweise zu finden. Vor allem im menschenbild, und dem verhältnis der menschen zur erde und allem lebenden. Die 'natur' wird von 'zivilisation' getrennt betrachtet, die 'natur' mit 'unberührt' und 'wild' assoziiert. 'Zivilisieren' ist vor allem ein unterjochen, verdrängen und morden.

Die erde wird vor allem als ressource verstanden, als objekt zu unserer verfügung. Die Europäer wollen sich nicht als teil der natur sehen und entsprechend der bedingungen ihre lebensweise anpassen, sondern wollen alles möglichst kontrollieren und für ihre interessen nutzbar machen. Kultivieren bedeutet zuerst zerstören. Die europäische ist fundamental eine kolonisierende kultur.

Die phase antikolonialer kämpfe nach dem sog. 2.Weltkrieg brachte offizielle selbstregierung und anerkennung als staaten innerhalb der herrschenden weltordnung. Unabhängigkeit und selbstbestimmung wurden jedoch nur in geringem maße erreicht, oftmals sogar im gegenteil abhängigkeiten und fremdbestimmung ausgeweitet und vertieft.

Wir sollten nicht von heute her entscheidungen in der vergangenheit beurteilen. Aber die erfahrungen aus vergangenen kämpfen, und vor allem deren abwehr und pervertierung durch die kolonisierer, sollten wir nutzen, um nicht dieselben fehler unreflektiert zu wiederholen.

Geschichte nicht linear und hierarchisch verstehen

Das denken in begriffen von 'fortschritt' und 'rückschritt', 'progressiv' und 'reaktionär', und die kognitive verknüpfung von 'modern' mit 'fortschrittlich' und 'emanzipatorisch' suggeriert den menschen, dass sie den selben weg immer weiter gehen sollen und drängt sie, die erfahrungen von jahrtausenden zu mißachten.

Geschichte ist schon an sich ein irreführender begriff, denn er ist singular, als wenn es nur eine geschichte gäbe. Statt dessen gibt es viele geschichten auf der einen, und die offizielle geschichtsschreibung im interesse der jeweiligen hegemonialen gruppen auf der anderen seite.

Geschichte hat niemals ein ziel, auch die menschheit hat keines. Die erde dreht sich weiter um die sonne und weder vergangenheit noch zukunft existieren jemals anders, als in unseren erinnerungen, geschichten und vorstellungen. Die gegenwart ist immer und schreitet weder voran noch zurück. Zahlreiche gruppen vertreten ihre jeweiligen interessen und suchen, diese geltend zu machen. Menschliche ziele und richtungen sind daher nur relativ und vergänglich.

Abhängigkeit vom wachstum überwinden

Der glaube an forschritt wird meist mit technologischer entwicklung assoziiert. Ein besonderes merkmal unserer kolonisierergesellschaften ist die schaffung von nachfrage und abhängigkeiten ohne bedarf. Produkte werden entwickelt, um sie zu verkaufen, nicht weil sie jemand gebraucht hätte oder weil es mangel gab. So kommen wir aus dem kreislauf von überproduktion und überkonsumption nicht heraus, der unsere lebensgrundlagen systematisch missbraucht für die befriedigung der gier des haben-wollens und der missgunst des neides.

Die erde wird als ein ding betrachtet statt als lebende entität und quelle allen lebens. Ein großer teil der gewässer und flüsse, zahllose quellen sind bereits verseucht mit den giften der industriellen produktionsweise, sowie der dazugehörigen infrastruktur und kommunikationsnetzwerke. Viele wasserquellen sind sogar für menschen nicht mehr gesund. Zahlreiche arten von lebewesen sind dadurch schon ausgerottet worden.

Nicht ohne grund halten viele sog. indigene völker wasser, luft und land für heilige elemente, oft erweitert durch das feuer. Alles leben hängt davon ab.

Die abhängigkeit vom wachstum muß überwunden werden, so daß wachstum kein ziel mehr ist. Nachfrage darf nicht erzeugt, sondern sollte systematisch verringert und die menschen von unnötigem konsum abgehalten werden. Die erzeugung und verwendung giftiger stoffe muß weitestgehend eingestellt und unter spirituelle regeln und tabus gestellt werden. Das ziel sollte es sein, den ganzen kreislauf von förderung, produktion, verwendung, entsorgung, filterung und wiederverwertung von müll und giften zu verhindern.

Asynchron kämpfen

Ein frontaler kampf gegen die dominierenden mächte, vor allem die multi und transnationalen unternehmen und die staaten mit ihren bürokraten, richtern, polizisten und soldaten erscheint aussichtslos. Deshlab empfehlen sich vor allem asynchrone strategien, welche die schwächen der ordnung auszunutzen versuchen. Eine zentrale schwäche der der ordnungist deren abhängigkeit von wachstum und nachfrage. Konsumverweigerung und finanzielle verarmung sind für uns überkonsumierer in den DTS gute mittel, um unsere abhängigkeiten von den multi und transnationalen zu verringern.

Lokalisierung gegen zentralisierung

Statt einer landwirtschaft, welche auf dem einsatz von viel wasser, energie und kapital beruht, brauchen wir den anbau von nahrungsmitteln von vielen menschen für sich selbst und die lokalen märkte, angepasst an die bedingungen vor ort. Nahrungsmittelsouvernität ist ein sehr gutes etappenziel, denn es ist eine notwendige voraussetzung für selbstbestimmung, welche nicht auf gewalt beruht.

Ebenso brauchen wir die herstellung sonstiger wichtiger verbrauchsgüter in lokalen werkstätten und eine generelle abkehr von der industriellen massenproduktion. Das wird dann die loslösung von den weltmärkten ermöglichen.

Lokalisierung und einbrechende nachfrage können gerade bei der heutigen überproduktion auf vielen märkten zum niedergang ganzer industriezweige führen und schließlich eine abkehr vom freihandel erzwingen.

Der expandierende handel von materialien, komponenten, waren und dienstleistungen ist die grundlage der GTO. Die transnationale ausnutzung von arbeit und standortvorteilen kann ohne die kontrolle der kommunikation zu land, zu wasser und in der luft nicht realisiert werden. Die transportkosten müssen niedrig genug sein, um die multinationalen produktionsnetzwerke profitabel zu organisieren. Erst standardisierte container ermöglichen das. Sie symbolisieren austauschbarkeit und gleichförmigkeit.

Die nutzung freiwerdender räume ist entscheidend, denn erst der aufbau und die stärkung paralleler strukturen wird es ermöglichen, die notwendigen anpassungen durch den niedergang der industrie und des weltweiten handels halbwegs geordnet zu organisieren.

Der staat als größtes hindernis

In den DTS allgemein, vor allem aber in den europäischen sozialstaaten, ist der staat das größte hindernis für unabhängige bewegungen. Bürokratie und rechtswesen stehen überall im weg und ungeregelte räume verschwinden immer mehr. Forderungen nach mehr staatlichen leistungen gehen an diesem punkt in eine völlig falsche richtung.

Forderungen nach privatisierung und de-regulierung sind eigentlich ganz gut, allerdings müssen wir den fokus auf die institutionen des staates und die reduzierung der steuerlasten halten. Der staat soll sich aus dem leben der bürger weitgehend zurückziehen. Zahlreiche behörden können aufgelöst und viel personal entlassen werden. Ein großteil der gesetze kann gestrichen werden. Inter- und supranationale rechtliche konstrukte lassen wir hinter uns und konzentrieren uns voll auf die nationale oder lokal-regionale perspektive mit dem ziel der selbstbestimmung als souveräne gemeinschaften, die keiner legitimierung außer ihrer existenz gebrauchen.

Die bastionen der kolonialen herrschaft sind vor allem die inter und supranationale politik, sowie die multi und transnationalen banken und unternehmen. Ihre wichtigsten mittel sind der handel, die wechselkurse und das kreditwesen, schulische indoktrination und mediale manipulation, legalistische und kognitive konstrukte, sowie die gewaltsame durchsetzung mit kriegen und massenvernichtung. Diese bastionen können wir am besten durch verweigerung bekämpfen, indem wir ihre produkte nicht kaufen und uns nicht verschulden. Zahlungsunfähigkeit kann genutzt werden, um die zahlung zumindest der zinsen zu verweigern und den wert der kreditposten am markt zu verringern. Juristische institutionen können wir delegitimieren, auslandsinvestoren verschrecken und vor allem uns nicht in kriege gegeneinander treiben lassen.